Mit dem freischaffenden Philosoph Bertrand Stern spreche ich über die Ideologie der Schule – ein System, welches mit Angst, Abrichtung, Abwertung und Entwürdigung arbeitet, und somit gebrochene, traumatisierte Menschen hervorbringt.
Herr Stern erklärt welch perfiden Annahmen dem Begriff „Kind“ zugrunde liegen. So ist die Kindheit eine künstliche, unnatürliche Vorstellung junger Menschen, die mangelhaft sind und deswegen segregiert und einer Maßnahme unterzogen werden müssen, die sich staatlich verordnete Erziehung nennt.
Braucht es ein anderes, neues Schulsystem, ein besseres, oder lediglich die Ablegung des Anwesenheitszwangs? Oder muss gar der Begriff „Schule“ an sich hinter sich gelassen werden? Eines ist sicher, so Stern. Die Beschulungsideologie ist bankrott. Die Schule wiederum ist lediglich ein Symptom eines größeren, sich im Zusammenbruch befindenden Systems. Ein Zusammenbruch, der nötig ist, um den Wandel zu freier Bildung geschehen zu lassen.
Bertrand Stern ist freischaffender Philosoph und Autor, der sich mit den grundlegenden Fragen von Bildung und Schulkritik, also mit kinderrechtlichen und pädagogikkritischen Positionen, befasst. Geleitet vom Glauben an die Würde des selbstbestimmten Subjektes, möchte er mit seinem Schaffen zur Selbstbefreiung des Menschen von zivilisatorischen Institutionen und Ideologien beitragen. http://www.bertrandstern.de/
Geführt und aufgezeichnet wurde dieses Gespräch am 09. September 2021 in Köln.
Das Gespräch mit der Traumatherapeutin Birgit Assel und Herrn Stern findet ihr hier: https://www.youtube.com/watch?v=D3xmqlbG1vs
Vielen Dank Bertrand für diese Ausführungen. Es gibt in Deutschland übrigens im Rahmen der bestehenden Schulpflicht schon Orte, an denen KInder selbstbestimmt ihren Tag verbringen können. In Anlehnung an die Sudbury Valley School gibt es verschiedene „Schulen“ die Kindern ein solches Leben ermöglichen, wie hier von Bertrand Stern skizziert. Leider noch mit einer Anwesenheitspflicht (wegen der in Deutschland bestehenden Schulpflicht), aber komplett frei in der eigenen Tagesgestaltung. Zusätzlich gibt es Mitbestimmung im allen Angelegenheiten, die die Schulgemeinschaft betreffen, mit einer Schulversammlung, wo die Regeln der Gemeinschaft beschlossen werden. In Hamburg gibt es die Neue Schule Hamburg, in Berlin die Ting-Schule, die Netzwerkschule und die Demokratische Schule X. Darüber hinaus gibt es einzelne Gründungsinitiativen. In Bayern gab es eine Sudbury Schule am Ammersee, die aber nach 2 Jahren von der Bildungsbürokratie wieder geschlossen wurde.
Generell empfehle ich Eltern die unzufrieden mit dem Schulsystem sind, kommt in die Eigenverantwortung und gründet selbst eure Schulen. Nur mal als Utopie: Wenn all die Eltern, die aktuell unzufrieden sind mit der Schule, eigene Schulen öffnen, hätten staatliche Regelschulen bald ein Problem, da dort niemand mehr hingehen möchte. Meine Erfahrung ist aber leider, dass viele Eltern (durch die eigenen Traumatisierungen) sich gar keinen anderen Ort vorstellen können und denken, dass man eben nur erfolgreich sozialisiert werden kann, wenn man zur Schule gegangen ist. Aber die Erfahrung der letzten Jahre zeigt auch, dass immer mehr Eltern andere Orte für ihre Kinder suchen, was sich daran zeigt, dass die Anfragen an diesen alternativen Schulen sehr stark ansteigen.
Letztlich liegt es eben doch zum großen Teil an jedem Einzelnen, neue Wege für sich und seine Kinder zu gehen. Da Gesellschaften als ganzes leider sehr träge sind, dauert es aber wahrscheinlich noch eine gewisse Zeit. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Ich selbst habe in den letzten 12 Jahren an einem dieser Orte gearbeitet und kann aus Erfahrung sagen, dass dies für mich sehr wohltuend und lehrreich war und die Schüler, die dort ihre Zeit verbracht haben, sich deutlich von anderen Schülern unterscheiden.
Liebe Grüße
David Bommert
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