Verstößt eine Impfpflicht gegen die Menschenwürde?

Ein Gastbeitrag von Hansjörg Pfister

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Der Artikel 1 des Grundgesetzes ist hier im Sinne eines kategorischen Imperativs formuliert. Das bedeutet, dass dieser Artikel immer gilt, ausnahmslos, im Gegensatz zu einem hypothetischen Imperativ, der an Bedingungen geknüpft sein kann. So wird der Artikel 1 des Grundgesetzes auch feierlich und erhaben in so mancher Sonntagsrede gepriesen. Doch was versteht man eigentlich unter der „Würde des Menschen“?

Es gibt in der abendländischen Philosophiegeschichte mehrere Bestimmungen dieses Begriffs, davon sind zwei relevant in Bezug auf eine Impfpflicht. Die erste ist der Begriff der Menschenwürde der Renaissance, kurz zusammengefasst besagt dieser, dass die Würde des Menschen in seiner Autonomie und Eigenverantwortlichkeit liegt. Der Mensch ist zuerst ein Individuum und dann erst ein Kollektivwesen. Das Individuum entscheidet autonom und eigenverantwortlich sowohl hinsichtlich des Guten als auch hinsichtlich des Schlechten. Das bedeutet, der Mensch erhält seine Würde durch diese Entscheidungsfreiheit. Es ist – im Sinne der Renaissancephilosophie – nun nicht so, dass der Mensch seine Würde dadurch erhält, dass er „gut“ (was immer das sein mag) handelt und dann ob seiner Eigenverantwortlichkeit gelobt wird oder dergleichen, wie es besagte Sonntagsredner gerne kundtun.

Nimmt man dem Menschen seine Autonomie und Entscheidungsfreiheit, was sicherlich manchmal der Fall sein muss, dann bezahlt man dafür einen Preis, man nimmt ihm einen Teil seiner Würde. Dem einen oder anderen mögen diese Gedanken fremdartig und unverständlich erscheinen, was jedoch nur zeigt, wie sich unsere moderne Gesellschaft unter dem Einfluss des Neomarxismus schon von ihren sie tragenden Wurzeln entfernt hat.

Es ist in diesem Kontext, also im Sinne eines hypothetischen Imperativs, eine Abwägungsangelegenheit, ob man den Menschen in seiner Entscheidungsfreiheit, seiner Autonomie usw. einschränkt. Man bezahlt dafür einen hohen Preis, jede Einschränkung seiner Autonomie ist ein Angriff auf das Individuum. Der Begriff des Individuums ist die große Entdeckung der Renaissance und Basis unserer neuzeitlichen abendländischen Kultur. Folgt man nun diesen Gedankengängen, ist es klar, dass so ein massiver Eingriff in die Autonomie und Eigenverantwortlichkeit des Menschen, wie es eine Impfpflicht darstellt, gegen die Menschenwürde verstößt. Für das Linsengericht einer geringen oder auch nur scheinbaren Sicherheit wird gegen eines der Fundamente unserer abendländischen Kultur gehandelt. Aber vielleicht ist das auch das eigentliche Ziel, will man vielleicht das Individuum zugunsten des Kollektivismus vernichten?

Wie sieht es nun mit dem zweiten Begriff der Menschenwürde aus, der aus dem Kategorischen Imperativ Kants folgt? Dieser besagt, dass die Würde des Menschen darin besteht, dass der Mensch stets als Zweck an sich und niemals als Mittel zum Zweck anzusehen ist. Behandelt eine Impfpflicht bzw. deren Befürworter nun den Menschen als Mittel zum Zweck oder als Zweck an sich? Die „offizielle“ Begründung (Rettung von Menschenleben) behandelt hier den Menschen als Zweck an sich.

Das kann man glauben oder auch nicht. Der Autor dieser Zeilen bleibt lieber unselig und glaubt es nicht. Er sieht die Motivation der Herrschenden, die eine Impfpflicht durchsetzen wollen, einerseits in psychopathologischen Prozessen, also des Auslebens von Macht- und Demütigungsphantasien, seien sie nun unbewusst oder nicht. Und ist es nicht toll, dass man jetzt wieder ordentlich diffamieren und ausgrenzen kann (die Ungeimpften sind an allem Schuld), ohne dabei das Kollektiv der „Guten“ zu verlassen? Andererseits sieht der Autor im Bestreben eine Impfpflicht einzuführen auch das Werk des Neomarxismus, der das Individuum zugunsten des Kollektivs abschaffen will. Folgt man dieser oder einer ähnlichen Meinung, so verstößt eine Impflicht natürlich gegen die Menschenwürde, da hier der Mensch eindeutig Mittel zum Zweck und nicht Zweck an sich ist.

Nun ist es so, dass alle Bestimmungen des Begriffs „Menschenwürde“ eben nur Bestimmungen sind. Das bedeutet, dass der Begriff „Menschenwürde“ dadurch jeweils nur unvollständig „begriffen“ wird. Wahrscheinlich bezeichnet der Begriff „Menschenwürde“ letzten Endes ein Gefühl. Wenn dem so ist, können wir dann nichts Allgemeingültiges bezüglich der Impflicht in Beziehung zur Menschenwürde aussagen, denn Gefühle sind individuell und es ist schwierig, sie zu etwas Allgemeinverbindlichem zu machen? Dem ist nicht so.

Der englische Philosoph David Hume war der Ansicht, alle Moral und alle Ethik gehe von Gefühlen aus. Im Gegensatz dazu stand Immanuel Kant, der die Ethik aus der Vernunft ableiten wollte und damit meiner Ansicht nach gescheitert ist. Wenn nun alle Moral und alle Ethik letztlich Gefühlen entspringen, wie ist es dann möglich eine allgemeinverbindliche Basis zu schaffen, insbesondere in Bezug auf eine Impfpflicht? Da sich Gefühle sehr leicht manipulieren lassen, darf man sie zur Klärung eines umstrittenen ethischen Sachverhalts nicht direkt befragen, vielmehr muss man ein Analogon finden, dass eine nicht kompromittierte Gefühlsbasis zulässt. Im Falle der Impfpflicht ist dies die schwere sexuelle Nötigung. Der Begriff „schwere sexuelle Nötigung“ lässt die Vorstellung zu, dass das Opfer genötigt wird zuzulassen, dass etwas in den Körper des Opfers verbracht wird, was dieses dort verabscheut. Das ist weder dasselbe noch das gleiche wie eine Impfpflicht, aber geeignet analoge Gefühle auszulösen. Analog dazu wäre ein Impfzwang eine Vergewaltigung.

Die meisten Kulturen verabscheuen die sexuelle Nötigung, sehen in ihr einen Angriff auf die Würde der betreffenden Person und stellen sie unter Strafe. Nun geht es bei der schweren sexuellen Nötigung meistens gar nicht um Sex, sondern um das Ausleben von Macht- und Demütigungsphantasien und Ähnlichem, also auch analog zur Motivationslage, wie ich sie bei einigen Impfpflichtbetreibern vermute. So gesehen verstößt eine Impfpflicht eindeutig gegen Artikel 1 des Grundgesetzes. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich unterstelle den wenigsten Impfpflichtbefürwortern niedrige Beweggründe im Sinne des hier aufgeführten, aber einigen schon und die anderen sollten sich das nochmal überlegen.

Zum Autor:

Website Hansjörg Pfister  http://www.sine-metaphysica.de

2 Kommentare

  1. Ich hoffe, dass eine solche Argumentation vor dem Bundesverfassungsgericht nicht zum Tragen kommen wird.
    Eine Argumentation, die darauf beruht, dass der Zweck der Impfung darauf beruht, dass die neomarxistisch inspirierten Impfgegner (und Impfbefürworter) nur ihre Macht- und Demütigungsphantasien ausleben wollen, da die Impfung/-pflicht mit einer Vergewaltigung gleichzusetzen ist, ist nicht nur weit hergeholt, sondern auch ein Schlag ins Gesicht für alle, die tatsächlich Opfer von sexueller Nötigung, Vergewaltigung und Gewalt geworden sind.

    “ Die „offizielle“ Begründung (Rettung von Menschenleben) behandelt hier den Menschen als Zweck an sich.“

    Mit dieser Argumentation wird die Impfpflicht tatsächlich verteidigt werden. Um die Würde des Menschen verteidigen zu können, ist ein menschliches Leben notwendig. Dies wurde bereits vom Bundesverfassungsgericht so definiert. Gerade mit Kant wird es schwierig sein, eine Impfflicht zu verhindern, mit Kant lässt sich eine Impfflicht sogar rechtfertigen. Bzw. kann sogar genutzt werden, wieso jeder einzelne sich selber zu verpflichten hat, sich impfen zu lassen, wenn ihm die Entscheidung nicht abgenommen werden soll. Kant schlägt nicht vor „jeder darf machen, was er will“, sondern „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Daraus folgert, ist der Mensch nicht aufgeklärt, ist er nicht mündig. Die Allgemeine Sicht der „Wissenschaft“ sieht die Impfung als richtige Entscheidung, aber auch in der Bevölkerung wird die Impfung allgemein angenommen. Um Machiavelli hier zu bemühen „Der Zweck heiligt die Mittel“. Und hier muss man angreifen:
    Es wäre zielführender, diese Argumentation aufzugreifen und entsprechend anzugreifen. Schützt die Impfung das menschliche Leben insofern, um einen solchen starken Eingriff zu rechtfertigen? (-> Ist der Zweck erfüllt?) Was rechtfertigt nicht die Überführung einer Tugendpflicht in eine Rechtspflicht? Welche Probleme entstehen dadurch? Was ist mit Menschen, die eine Allergie haben, oder sehr jung sind?
    Mein Vorschlag wäre also utilitaristisch zu argumentieren, wenn man hoffen will, eine Impfflicht verhindern zu können. Dies wird aus aktueller Studienlage schwer werden. Omikron zeigt aber, dass die aktuelle Impfung wenig gegen die Ansteckung schützt. Hier gäbe es eventuell Möglichkeiten eine generelle Impfflicht zu verhindern.

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    1. „neomarxistisch inspirierten Impfgegner“ natürlich waren die „neomarxistisch inspirierten Impfpflichtbetreiber“ gemeint. Das eine Wort gedacht und das falsche Wort geschrieben! 😉

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