Ein Beitrag von Fabio Traina
In Zeiten digitaler Reizüberflutung durch verschiedenste Medien kann es sehr hilfreich sein, sich wieder mit seinem eigenen Sein auseinanderzusetzen. Denn wer kennt nicht dieses Gefühl der Ohnmacht bei all den schlechten Dingen, die in dieser Welt passieren? Man empfindet sich als Opfer der Umstände und weiß oft nicht, wohin mit sich. Oft schiebt man somit die Verantwortung nach außen und gibt der Welt die Schuld, dass man nicht mehr das Leben führen kann, das man gerne führen würde. Jordan B. Peterson, kanadischer klinischer Psychologe, emeritierter Professor und Autor des Bestsellers „12 Rules for Life“, würde dazu wohl folgendes sagen:
„Wenn man die Welt verändern will, fängt man bei sich selbst an und arbeitet nach außen, weil man auf diese Weise Kompetenz aufbaut. […] Wie kannst du hinausgehen und gegen die Struktur des gesamten Wirtschaftssystems protestieren, wenn du dein Zimmer nicht in Ordnung halten kannst? (If you want to change the world you start from yourself and work outward because you build your competence that way. […] How can you go out and protest the structure of the entire economic system if you cant keep your room organized?).“ (1)
Jordan Petersons Future Authoring Programm könnte aus dieser Ohnmacht und Ziellosigkeit heraushelfen. Es ist jedoch nur ein Bestandteil dieses Programms. Es besteht aus einem Past Authoring, einem Present Authoring und dem genannten Future Authoring. Hierbei setzt man sich schreibend mit seiner eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinander, um so sein eigenes Sein zu ergründen. Peterson selbst führte Studien an der McGill University in Montreal und an der Erasmus University in Rotterdam durch, um die Effektivität des Programms zu messen. Leistungsschwache Studenten, welche das Future Authoring abschlossen, konnten ihre Noten um 25% verbessern und ihre Durchfallquote von 30% auf 0% verbessern. Ebendies konnte an der Erasmus University beobachtet werden. Hintergrund dieses Programms ist es, sich Ziele für sein Leben zu setzen, auf die hingearbeitet werden kann, um so ein erfolgreiches und glückliches Leben zu führen. Peterson beruft sich auf Carl Jungs Gedanken, denen zufolge es essenziel wichtig für das Selbst ist, sowohl Verstand als auch Gefühle beisammen zu haben und dies auch auszustrahlen. Erst dann kann damit begonnen werden, Dinge in Ordnung zu bringen, die Teil deines größeren Einflussbereichs sind (Once you got your mind and your emotions together and once your acting that out, then you can extend what your willing to consider your self and start fixing up things that are part of your broader extend) (2). Im Future Authoring Programm stellt man sich anschließend folgende Fragen: Was kann ich besser machen? Was würde ich gerne für Fähigkeiten erlernen? Wie sieht mein optimales Leben in 3-5 Jahren aus? (Für diejenigen, die ein genaueres Bild davon haben möchten, wie das Programm abläuft, denen empfehle ich diesen Artikel.)
Doch dieselbe Frage, die Slavoj Zizek in der berühmten Debatte mit Jordan Peterson stellte, kam auch mir auch als erstes in den Sinn: Wie soll man sein Leben in Ordnung bringen, wenn die Welt da draußen im Chaos versinkt? Denn egal, was man von Zizek halten mag, muss man zugestehen, dass die Frage einen gewissen Wahrheitsgehalt besitzt. Wo würden wir hinkommen, wenn wir uns nur noch um uns selbst kümmern würden? Kann man nicht gleichzeitig Aktivismus zeigen und dadurch, dass man mit gutem Beispiel voran geht, sein Leben verbessern? Oder sollten wir uns in der aktuellen Krise doch lieber nur um uns selbst kümmern und darüber hinaus einfach mitlaufen? Lockt uns Peterson hier in eine passive Haltung gegenüber des Weltgeschehens?
Nun ist es, denke ich, nicht so, dass er dies von uns verlangt. Wie er in der Debatte mit Zizek sagt, liegt der Vorteil, lokal an sich zu arbeiten erst einmal daran, dass man die unmittelbaren Konsequenzen seiner Fehler spürt. „Wenn du dir erlaubst, die Weite, in der du in diesem Moment existierst, zu betrachten, werden alle möglichen Dinge auftauchen, die du einfach in Ordnung bringen könntest (If you allow yourself to consider the expanse in which you exist at that moment there will be all sort of thing that pop out in that you could just fix) (2).“
Man findet immer etwas an sich, an dem man zu arbeiten hat und sollte diese Dinge zuerst erledigen. Denn nur so hinterlässt man einen glaubenswürdigen Eindruck bei seinen Mitmenschen und kann Gutes in der Welt schaffen. Im Endeffekt sind es also die alltäglichen Dinge, die wirklich Gewicht auf die eigene Persönlichkeit haben, vor allem, wie man diese alltäglichen Aufgaben angeht (2). Ein weiterer Punkt, der hier wohl auch zum Tragen kommt, ist Petersons Gedanke, dass man gewissermaßen zu einem Monster werden muss, um sich in dieser Welt durchzuschlagen.
„Du solltest ein Monster sein, ein absolutes Monster, und dann lernen, es zu kontrollieren (You should be a monster, an absolute monster, and then learn how to control it.) (3).“
Man muss, so Peterson, also zwingend bei sich selbst anfangen, um überhaupt in der Gesellschaft zu überleben. Denn wer seine Hummer-Theorie (hier der Link zum KaiserTV-Video) kennt, der weiß, dass er der Ansicht ist, dass Hierarchie in unserer Gesellschaft so fest verankert ist wie ein Naturgesetz. Ihm zufolge ist es dementsprechend unvermeidbar, sich in einer solchen Welt seinen Platz erkämpfen zu müssen, um nicht zu scheitern.
Letztendlich muss dies nicht der Weg für alle sein. Trotzdem ist es sehr empfehlenswert, sich folgende Frage zu stellen: Wo sehe ich mich in ein paar Jahren und wie komme ich da hin? Denn ohne Ziele im Leben gibt es auch keine Bedeutung, wofür man zu leben hat. Diese Ziele können klein anfangen, wie beispielsweise die Ordnung im eigenen Zimmer, und sich dann immer weiter ausdehnen. Man sollte bloß äußerst vorsichtig sein, was das für Ziele sind, die man für sich ins Visier nimmt.
Quellen:
(1) Zitat aus der Podcast-Episode „Jordan Peterson on Cleaning Your Room – The Joe Rogan Experience“
(2) Zitat aus The Philosophy Behind Cleaning Your Room