Die Kinder haben ja so toll mitgemacht – und gelitten!

„Die Kinder machen das doch so toll mit!“ Solche und ähnliche Aussagen hörte man immer wieder von Befürwortern der Corona-Maßnahmen, um selbige zu rechtfertigen. Dass das, wenn überhaupt, nur scheinbar der Fall war und Kinder und Jugendliche tatsächlich massiv gelitten haben unter den monatelangen Einschränkungen, kristallisiert sich immer deutlicher heraus. So zeigt nun auch eine Erhebung der DAK Gesundheit, der drittgrößten deutschen Krankenkasse: Psychische Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen haben in den Pandemiejahren 2020 und 2021 massiv zugenommen.

Die Krankenkasse hatte für den Kinder- und Jugendreport 2022 ihre Abrechnungs- beziehungsweise Krankenhausdaten aus den Jahren 2019 bis 2021 analysiert und kam dabei zu Ergebnissen, die selbst den massivsten Maßnahmenbefürwortern zu denken geben sollten: Unter den 15- bis 17-Jährigen wurden 42 Prozent mehr Jugendliche in 2021 aufgrund einer emotionalen Störung hospitalisiert als noch 2020. Aufgrund eines multiplen Suchtmittelmissbrauchs, also dem Konsum von mehr als einem Suchtmittel, wurden 39 Prozent mehr Jugendliche in 2021 gegenüber 2020 stationär behandelt. Depressive Episoden stiegen von 2020 bis 2021um 28 Prozent an, Essstörungen um 17 Prozent und Angststörungen um 3 Prozent. In Relation zu 2019 stiegen die Krankenhausaufenthalte 2021 bei Essstörungen sogar um 40 Prozent.

Und auch bei den 10- bis 14-Jährigen zeigen sich bedenkliche Veränderungen: 2021 wurden in dieser Altersgruppe 27 Prozent mehr Schulkinder aufgrund einer depressiven Episode stationär behandelt als 2020. Außerdem wurden 25 Prozent mehr aufgrund einer Angststörung hospitalisiert, 21 Prozent mehr wegen einer Essstörung und 11 Prozent mehr aufgrund einer emotionalen Störung. Selbst unter Grundschulkindern zeigen sich Beeinträchtigungen. 2021 wurden 36 Prozent mehr stationäre Behandlungen aufgrund von Störungen sozialer Funktionen verzeichnet als 2020. Und 11 Prozent mehr aufgrund von Entwicklungsstörungen. Wohlgemerkt: Bei all diesen Zahlen geht es um Hospitalisierungsdaten, also nicht um kleine Unannehmlichkeiten, sondern um so gravierende Beschwerden, dass eine Einweisung ins Krankenhaus nötig war.

„Unser aktueller Kinder- und Jugendreport zeigt, wie sehr Jungen und Mädchen in der Pandemie leiden. Der starke Anstieg bei Depressionen oder Essstörungen ist ein stiller Hilfeschrei, der uns wachrütteln muss“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Wir dürfen nicht länger zuschauen, sondern müssen dem Thema Kinder- und Jugendgesundheit endlich mehr Gewicht geben und handeln. Die Lage hat sich im vergangenen Jahr dramatisch verschärft, doch noch hat die Politik darauf nicht entsprechend reagiert. Es geht um die gesundheitliche Zukunft einer ganzen Generation.“

Vor allem Mädchen im späten Teenageralter leiden massiv unter den Auswirkungen der Pandemie, zeigen die Krankenkassendaten weiterhin. Das äußerst sich in Essstörungen, denn Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren wurden wegen dieser Problematik über 32-mal so häufig stationär behandelt wie Jungen. Zudem kamen sie im Vergleich zu Jungen 5-mal öfter wegen Depressionen, 3-mal häufiger wegen Angststörungen und 2,5-mal öfter aufgrund von emotionalen Störungen in deutsche Kliniken.

„Die Corona-Pandemie und ganz besonders die von der Politik verhängten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung haben Kindern in allen Altersstufen erheblichen gesundheitlichen Schaden zugefügt. Neben eher organischen Krankheiten wie Adipositas betreffen die feststellbaren Gesundheitsschäden vorwiegend den psychosozioemotionalen Bereich“, sagt Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. „Kinder und Jugendliche stellen eine ebenso vulnerable Gruppe innerhalb der Bevölkerung dar wie alte beziehungsweise vorerkrankte Bürgerinnen und Bürger während der Corona-Pandemie. Während letzteren natürlich auch zu Recht Aufmerksamkeit und Fürsorge gewidmet wurden, haben die politisch Verantwortlichen über zwei Jahre lang die ebenso existentiell wichtigen Bedürfnisse der jungen Generation schlichtweg ignoriert. Der dadurch bedingte Schaden ist erheblich, wie der vorliegende DAK-Report zeigt.“ Wie viele Dauerschäden entstanden sind, sei heute noch schwer zu erfassen. Aus den Fehlern der Pandemiebekämpfung müssten Lehren gezogen werden, insbesondere von Seiten der Politik. „Auch Kinder haben die gleichen Rechte wie Erwachsene, und zwar immer. Und diese Rechte gehören in unser Grundgesetz.“

Derweil schlägt auch die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) Alarm, die gemeinsam mit dem Else Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München eine repräsentative Eltern-Umfrage in Auftrag gegeben hatte. Die forsa-Umfrage, bei der insgesamt 1.004 Eltern mit Kindern im Alter von 3 bis 17 Jahren befragt wurden, weist ebenfalls auf massive Folgen der Corona-Pandemie für die Kindergesundheit hin: 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen bewegen sich weniger als vor der Pandemie, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 57 Prozent. Bei einem Drittel hat sich die körperlich-sportliche Fitness verschlechtert, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sogar bei beinahe der Hälfte. Umgekehrt haben 70 Prozent die Mediennutzung gesteigert und 27 Prozent greifen häufiger zu Süßigkeiten als zuvor. Eine unmittelbare Folge: 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind dicker geworden, in der Altersgruppe von 10 bis 12 Jahren sogar 32 Prozent. Das betrifft insbesondere Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien. Und auch die Eltern-Umfrage bestätigt psychische Belastungen bei 43 Prozent in „mittelerer“ oder „starker“ Ausprägung. Immerhin gaben 34 Prozent der Familien an, häufiger gemeinsam zu essen als zuvor.

Wirklich überraschend sind die Ergebnisse von DAK und forsa-Umfrage nicht und es ließen sich noch unzählige weitere Beispiele suchen und finden, die belegen, wie sehr die junge Generation unter den Maßnahmen gelitten hat und bis heute leidet. Schon längst warnen zahlreiche Experten vor den massiven Folgen von Lockdowns und Schulschließungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Auch eine arte-Dokumentation aus dem vergangenen Jahr hatte eindringlich darauf hingewiesen, dass Kinderpsychiatrien in Deutschland an ihre Grenzen kommen oder sogar schon längst am Limit sind. Der SWR berichtet ganz aktuell, dass weit mehr Kinder und Jugendliche psychologische Hilfe benötigen als es Behandlungsplätze gibt, von viel zu langen Wartezeiten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und überfüllten Krisenstationen. Die aktuellen Zahlen untermauern die Befürchtungen von jenen, die sich als Schwurbler und Verschwörungstheoretiker diffamieren lassen mussten.

Aber die Kinder haben ja so toll mitgemacht!


Quellen:
DAK Gesundheit Kinder und Jugendreport 2022: https://www.dak.de/dak/download/report-2558040.pdf
Pressemeldung Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG): https://adipositas-gesellschaft.de/forsa-umfrage-zeigt-folgen-der-corona-krise-fuer-kinder-gewichtszunahme-weniger-bewegung-mehr-suesswaren-jedes-sechste-kind-ist-dicker-geworden/
ARTE-Doku „Kinderpsychatre am Limit“: https://www.youtube.com/watch?v=xU2iWtbw_fk
SWR: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/situation-kinder-jugendpsychiatrie-nach-ueber-zwei-jahren-corona-pandemie-100.html

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