Die Geschichte der Großen Depression - Märchen, Ursachen und Folgen
Von Zeit zu Zeit braucht der Mensch, um als guter Untertan funktionieren zu können, eine Gute-Nacht-Geschichte. In diesem Märchen treibt der böse Wolf der menschlichen Freiheit sein Unwesen, wird vom guten Staat aber letztlich doch vertrieben oder zumindest in seine Schranken verwiesen.
Eines dieser Märchen ist dabei das von der Großen Depression von 1929 bis 1941, die sich in Form großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten und individueller Not und Armut vor allem auf das Leben von Millionen Amerikanern ausgewirkt hat.
Dieses Märchen erzählt von den Auswirkungen einer allzu freien Marktwirtschaft und von den rettenden Eingriffen durch die Hände des Staates. Und es ist der Grund dafür, dass Menschen heutzutage noch immer glauben, zu viel Freiheit sei schädlich, und dass sich in der freien Marktwirtschaft jederzeit, ohne Vorwarnung, gewaltige Rezessionen ereignen können, die Wohlstand und von heute auf morgen zerstören. Und dass “der Staat” dem eben vorbeugen müsse … und wenn er das dann nicht geschafft hat (wen wundert’s`?), müsse er wenigstens die Folgen so wenig hart wie möglich gestalten.
Das Märchen von der Schuld des Kapitalismus an der Weltwirtschaftskrise, dem Börsencrash von 1929 und der Great Depression ist jedoch nichts weiter als das - ein Märchen. Auch sein Happy End, nämlich die Erzählung davon, dass staatliche Interventionen schließlich zu der wirtschaftlichen Erholung geführt hätten, die sonst niemals oder nur unter sehr großen weiteren Opfern eingetreten wäre, ist ein gerne weitergetragener Mythos.
Da sich Menschen aber, wenn sie beherrscht werden wollen, gerne Märchen und Sagen erzählen lassen, ist es auch schwer, mit Fakten und Indizien ihre Ansichten über den Gang der Geschichte ändern zu wollen.
Gleichwohl ist es notwendig, es zu versuchen.
Fragen wir also: Was waren die wirklichen Ursachen der Großen Depression? Welche Folgen hat sie gezeitigt? und: Was haben die staatlichen Eingriffe tatsächlich gebracht?
Wie kam es zur Depression?
Nach Frederic Bastiat ist Ökonomie auch die Lehre „von dem, was man sieht, und von dem, was man nicht sieht“. Um das Offensichtliche zu erklären, muss man also erst das Verborgenen aufdecken.
Obwohl das moderne Märchen behauptet, dass der freie Markt sich im Verlauf der Zwanziger Jahre selbst zerstört habe, ist doch das Regierungshandeln der eigentliche Motor der Depression. Die Rezessionen, die zuvor stattfanden, dauerten nicht länger als 3 bis 4 Jahre, viele waren sogar um einiges kürzer, und es ist wahrscheinlich, dass auch sie sich bei einem Ausbleiben staatlicher Eingriffe nicht länger erstreckt hätten. Stattdessen wurde die Krise zu einer über ein Jahrzehnt anhaltenden Depression verstärkt.
Was war geschehen? Nun, das Jahrzehnt zuvor nennt man die Goldenen Zwanziger, die „Roaring Twenties“. Der Große Gatsby, das Model T von Ford, Al Capone und die Prohibition, der Caesar’s Salad wird erfunden, Charleston und Irving Berlins „Blue Skies“ … eine Zeit, an dem sich ein Boom an den anderen anschloss.
Es ist ein ehernes Gesetz, das wir in der Historie wie im persönlichen Leben nur zu oft beobachten können: Was aufsteigt, wird irgendwann fallen. Nach einem Aufschwung kommt der Abschwung, und der wird umso stärker sein, je höher und schneller sein Vorgänger war. Gerne blicken wir ja auf ein ganz bestimmtes Datum, hier den 24. 10. 1929, an dem wir alles festmachen zu können glauben. Doch dieses Ereignis, das so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, war nur ein weiteres Datum in einer Reihe von bewussten und unbewussten Aktionen, die sich dem Blick der Öffentlichkeit entziehen.
Nun ist die Frage, ob der Aufschwung, dessen Wirkungen wir im Aufblühen der Kultur der 20er Jahre sehen, nur eine Folge von zu großer wirtschaftlicher Freiheit, von rücksichtslosem Spekulieren und Investieren ist, oder ob auch der Staat dafür gesorgt hat, dass das Leben der Menschen sich innerhalb so kurzer Zeit so umfassend geändert hat.
Die eine staatliche Aktion, die den größten Einfluss auf das gesamte Leben der Menschen hat, ist die, das Geld zu drucken.
Und tatsächlich gibt es Schätzungen, dass die Federal Reserve die Dollar-Geldmenge von 1921 bis 1918 um mehr als 60 % erhöht hat. Dies musste unweigerlich zu geringeren Zinsraten führen - weil es ein größeres Angebot an Geld gab, wurde das Geld billiger. Denn Zins ist nichts anderes als der Preis des Geldes. In einer freien Wirtschaft zeigt der Zins an, wie viel Geld von den Menschen benötigt wird im Verhältnis zum Angebot. Wenn nun Geld billig ist, ist der Anreiz, zu investieren, viel stärker, als er normalerweise wäre. Die Börsenkurse steigen und die Aktienbesitzer und Unternehmer denken, es gäbe eine reale Nachfrage nach den Produkten des Unternehmens. Es wird also mehr und mehr produziert - während eine reale Nachfrage gar nicht in dem angenommenen Maße existiert.
Der österreichische Ökonom Ludwig von Mises hatte diesen Mechanismus schon 1924 beschrieben:
Der naive Inflationismus fordert Vermehrung der Geldmenge ohne zu ahnen, dass [dies] die Kaufkraft der Geldeinheit vermindert. Er will mehr Geld sehen, weil Geldfülle in seinen Augen schon Reichtum ist. Fiat money!
Als die Fed nach sieben Jahren des Aufblähens der Geldmenge zwischen 1929 und 1933 schließlich die Zinsen wieder in die Höhe trieb und den Geldhahn zudrehte, nämlich um 30%, wurde es den Anlegern klar, dass, wenn das Geld knapp wird, man die Aktien lieber vorher als zu spät verkaufen sollte. Eine Lawine brach los.
Denn zwischen 1929 und 1933 fiel die nationale Produktion um mehr als die Hälfte. Der Einkommensdurchschnitt fiel um 28 %, die Börsenkurse fielen auf ein Zehntel des ursprünglichen Werts, 1933 schließlich gab es 12,8 Millionen Arbeitslose. Betrug die Arbeitslosigkeit 1929 noch 3,2%, waren es 1933 bereits 25%!
Da aber der Mann auf der Straße die Eingriffe des Staates nicht sehen kann, steht er ratlos vor dem Trümmerhaufen seiner eigenen Existenz und singt, wie später Bruce Springsteen:
lately there ain’t been much work, on account of the economy
Ja, wegen der Wirtschaft halt, das muss als Begründung ausreichen.
Es scheint also, dass die Fed, eine private Bank, die vom Staat das Monopol zum Gelddrucken erhalten hat, den Boom künstlich erzeugt hat. Ben Bernanke, Präsident der Fed bis 2014, hat dies zugegeben:
You’re right, we did it. We’re very sorry. But thanks to you, we won’t do it again.
Was geschah dann?
Dann kam die Präsidentschaft Herbert Hoovers, eines Mannes, der oft als Laissez-faire-Politiker dargestellt wird. Er habe sich geweigert, zu intervenieren, sondern wollte alles den freien Märkten überlassen, so geht dieser Teil des Märchens.
Doch nicht einmal sein politischer Gegner in den 1932er Wahlen hätte Hoover so bezeichnet. Im Gegenteil: Franklin. D. Roosevelt beschuldigte Hoover, er führe das Land durch rücksichtslose extravagantes Ausgeben in den Abgrund, er sei verantwortlich für die größten Ausgaben in Friedenszeiten, die das Land zum auf die Ebene des Sozialismus runterziehen werden.
Was nun würde ein Laissez-faire-Politiker, neben vielen anderen Dingen, niemals machen? Den Markt beschränken, indem er über bestimmte Güter Zolltarife verhängt. Was Hoover aber, neben vielen anderen Dingen, tat, war genau das. Der Smoot-Hawley-Tariff Act von 1930 beschränkte den Import auf den höchsten Level seit 100 Jahren, und zwar so stark, dass die Preise fielen, die Banken schlossen, die Farmer ihre Farmen aufgaben, die Arbeitslosigkeit z. B. in Cleveland auf 50 % stieg, der Dow Jones Index erst ein Vierteljahrhundert später wieder den Stand von 1929 erreichte und die ausländischen Wirtschaften, vor allem die den Verpflichtungen des Versailler Vertrags unterworfene Wirtschaft der Weimarer Republik, darunter litten.
Das Gesetz hatte einen großen Anteil am Rückgang des US-amerikanischen Außenhandels, und damit am Zusammenbruch des Welthandels während derWeltwirtschaftskrise. Es verschärfte die protektionistischenTendenzen in der Welt. Die Importe der USA sanken zwischen 1929 und 1933 um 66 % von 4,4 Milliarden Dollar auf 1,5 Milliarden Dollar. Die Exporte fielen um 61 % von 5,4 Milliarden Dollar auf 2,1 Milliarden Dollar. Die Importe aus Europa fielen von 1,334 Milliarden im Jahr 1929 auf 390 Millionen Dollar im Jahr 1932, und die Exporte nach Europa von 2,341 Milliarden auf 784 Millionen Dollar. (Quelle: Wikipedia)
Sogar der Wirtschaftslehrer im Film „Ferris macht blau“ wusste das! Es ist eine Voodoo-Ökonomie!
Hoover also war alles andere als ein Non-Interventionist. Der Anteil der Staatsausgaben am Bruttosozialprodukt betrug beispielsweise 1931 über 20% - nicht gerade rein kapitalistisch. Und als ob mit Subventionen, hohen Zöllen und einer verfehlten Geldpolitik noch nicht genug getan worden wäre, um die Menschen davon abzuhalten, in Ruhe ihren Geschäften nachzugehen, wurde 1932 der Revenue Act verabschiedet, der die Einkommenssteuer verdoppelte!
Giftige Medizin
Als FDR dann Präsident wurde, führte er genau das fort, wogegen er sich zuvor immer gestellt hatte: Hoovers Interventionismus. Nun, 1933, war auch in seiner Antrittsrede nicht mehr die Rede von verfehltem Regierungshandeln - er gab den skrupellosen Geldwechslern die Schuld!
Plötzlich war jemand, der Gold besaß, ein Verbrecher. Die Menschen durften sich nicht mehr frei aussuchen, wie sie ihr Geld sparten. Roosevelt beschränkte den Goldbesitz und entwertete den Dollar damit um 40%. Bis 1936 stiegen die Staatsausgaben um 83%, die Staatsschulden auf 73%! 1933 zwang man die meisten Industrien in regierungsgesteuerte Kartelle, regulierte Preise und Löhne und trieb so die Kosten um 40 % nach oben. Die industrielle Produktion fiel so um ein Viertel.
Das Mindestlohngesetz von 1938 verhinderte, dass gering ausgebildete und junge Menschen in den Arbeitsmarkt einsteigen konnten - machte auf diese Weise viele von ihnen wiederum abhängig von der Sozialhilfe, die 1935 eingerichtet worden war. Landwirtschaftliche Produkte mussten zerstört werden, um die Preise künstlich zu erhöhen - Weizen und Mais wurden verbrannt, gesunde Schafe, Rinder und Schweine wurden in Massengräbern verscharrt. Sechs Millionen Ferkel wurden geschlachtet, ohne dass ihr Fleisch verkauft worden wäre. Farmer wurden vom Staat für ihre Untätigkeit bezahlt.
Wir haben es mit Geldausgeben versucht, wir geben mehr aus als je zuvor, und es hat nicht funktioniert … Nach acht Jahren in der Regierung haben wir genauso viel Arbeitslosigkeit wie als wir begannen, und eine enorme Staatsschuld obendrein.
Es ist wichtig, dass das Märchen von der bösen Freiheit nicht mehr erzählt wird - sondern Fakten und logische Schlussfolgerungen aufzeigen, wer für Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger verantwortlich ist. Denn je öfter wir uns eine Geschichte erzählen, die dem Staat die Rolle des edlen Ritters zuschreibt, wird er stärker und mächtiger werden - und irgendwann sein wahres Wesen auch den schlafenden Kindern offenbaren.
Literatur:
Burton W. Folsom jr.: New Deal or Raw Deal?: How FDR’s Economic Legacy Has Damaged America
Jim Powell: FDR’s Folly: How Roosevelt and His New Deal Prolonged the Great Depression
Sehr schön erklärt.
Ich denke andererseits, dass man es sich aber auch von unserer Seite nicht zu leicht machen darf. Die Trennung zwischen Staat und freiem Markt ist in unseren Gesellschaften eine sehr verschwommene und oft gar nicht so sinnvolle, denke ich. Deswegen bin ich eher dafür, auf bestimmte Maßnahmen abzuheben als auf diese klassische Dichotomie.
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Danke für das Feedback … aber auf welche Maßnahmen soll man abheben, und wer will das bestimmen?
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Naja, die Person, die abhebt. Ich meine damit, statt diesen schwierigen Gegensatz Staat-freier Markt so zu betonen, würde ich konkret kritisieren, was wer macht, was nicht gut ist, welche Systeme besser funktionieren, welche schlechter, und so weiter.
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Wo anfangen und wo aufhören? Bei jeder einzelnen Aktion müsste man dann von neuem diskutieren - und man hat keinen Maßstab, nach dem man es entscheiden kann. Das Schöne an Prinzipien ist ja, dass man ein Kriterium hat, wann eine Handlung moralisch schlecht ist und wann gut. Und meines Erachtens ist Zwang gegen Unschuldige IMMER schlecht - und der Staat ist eben Zwang gegen Unschuldige, durch Gesetze.
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Dann findest du Eigentum auch schlecht? Und was heißt schon unschuldig?
Man kommt nicht drumrum, es bei jeder einzelnen Aktion neu zu diskutieren. Und natürlich hat man einen Maßstab: Die Ergebnisse.
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Ich finde Eigentum super! Und unschuldig heißt: jemand, der die Freiheit eines anderen nicht eingeschränkt/verletzt hat. Und Ergebnisse sind keine Maßstäbe, sondern sie müssen an Maßstäben bewertet werden. Man muss ja entscheiden, was man von einem Ergebnis halten soll - und das geht nur mit Prinzipien. Die sind im Libertarismus eben das Nicht-Aggressionsprinzip, das Eigentum am eigenen Körper und das Recht auf freiwilligen Tausch mit anderen.
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Ich merke schon, wir kommen hier nicht mit vertretbarem Aufwand weiter. Danke trotzdem, und viel Vergnügen noch.
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Danke gleichfalls! Und: weiter so!
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